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Reisebericht: Unterwegs in China, von Qingdao nach Peking
Hölle oder Paradies? Vier Millionenstädte in acht Tagen
Der Vergnügungsminister informiert
Der folgende Bericht über eine Reise in China von Qingdao nach Peking ist Zinni-untypisch und erhält keine Bilder von herrlichen Landschaften, coolen Eisbergen oder gar Traumstrände. Eine Woge der Begeisterung wird nicht auftreten. Wer sich trotzdem auf das Lesen einlässt, erhält einen von Ironie freien Erfahrungsbericht über das Land des Drachens, einem Staat zwischen Sozialismus und Globalisierung.
Die Reiseplanung und der Hinflug
An eine Reise in die Volksrepublik China hatte ich schon lange daran gedacht. Trotz des Wissens, dass die Großstädte ständig unter einer Dunstglocke hängen, niemand Englisch spricht und die ständig spuckenden Einheimischen alles essen, was fliegt, schwimmt oder vier Beine hat (außer Flugzeuge, U-Boote und Tische) stellte ich mir das Land interessant vor. Um meine pauschalen Vorurteile bestätigt zu bekommen oder auch nicht, beschloss meine Reisebegleitung und ich im April 2016 den riesigen Staat zu besuchen. Wir waren gespannt, wie unsere ersten Erfahrungen in China wurden.
Beim Blick auf die Landkarte war es uns schwierig gefallen, eine Entscheidung zu treffen, wohin es geht. Inlandsflüge Flüge wollten wir vermeiden, aber auch nicht nur an einem Ort bleiben. Da Touristen für einen Leihwagen einen chinesischen Führerschein benötigen und das Anmieten eher einem Himmelfahrtskommando gleicht, blieb nur der Zug als Transport zwischen den einzelnen Städten. Die Lufthansa fliegt in China nach Qingdao und Peking, die Entfernung zwischen diesen beiden Städten ist für Landesverhältnisse nicht groß. Relativ nahe und auf dem Weg sind die Städte Jinan und Tai’an, die beiden in den Bergen liegen. Wir hofften, dort vielleicht etwas Natur-Erlebnis zu haben.
Die Hotels und der Hinflug waren schnell gefunden und gebucht. Ich war froh, dass die Lufthansa später meine Warteliste-Buchung ab Peking zurück bestätigte, ansonsten hätten wir mit der Swiss um 6:45 zurück fliegen müssen, was eine zu kurze Nacht bedeutet hätte. Das komplizierteste war die Visabeschaffung, obwohl wir eine Agentur damit beauftragten. Wir mussten etliche Formulare ausfüllen und Obacht geben, denn bei Falschangaben droht im schlimmsten Fall eine Gefängnisstrafe. Dass die Preise dafür regelmäßig nach im Schnitt jeder dritten Partei-Sitzung erhöht werden, macht das Ganze nicht sympathischer. Allein deshalb werde ich wohl nicht mehr in das Land kommen.
Auf dem Lufthansaflug nach Qingdao in China war viel Luft. Die Maschine war spärlich ausgelastet, das Ziel wurde kurz zuvor von der Streckenführung umgestellt und das benötigt wohl eine gewisse Anlaufzeit. In unserem Kompartment waren nur neun von dreißig Sitzen belegt. Nur einer saß am Fenster, eine solche Quote hatte ich noch nie. Der Service war tadellos und der zehn Stunden Flug ging schnell und sehr angenehm herum. Das Ziel war auch für die Crew Neuland und die Beschäftigten wollten von uns Tipps für den Aufenthalt haben, was wir natürlich nicht geben konnten.
Die Einreise war relativ schnell, dafür zog sich die Taxifahrt, obwohl gar nicht so viel Verkehr war. Wir waren eine knappe Stunde unterwegs ohne einen großen Stau und zahlten dafür mit 25 € zu viel für das Taxi. Wir hatten nach der langen Anreise keine Lust zum Beschweren, das war aber auch der einzige Fahrer, der mehr haben wollte, als der Taximeter angezeigt hatte. Ansonsten zahlten wir zwischen einem und fünf Euro für gar nicht so kurze Fahrten, was deutschen Fahrern nicht mal als Trinkgeld reicht.
Qingdao (Bevölkerungszahl: 2,7 Millionen, drei Übernachtungen)
Das Erste, was uns in der deutschen Stadt Qingdao (in den Jahren von 1898 bis 1914 war sie eine Kolonie des Deutschen Reichs) aufgefallen war: der starke Smog. Den hatte ich den Peking erwartet, aber so schlimm nicht einmal dort. Schemenhaft war am Himmel was zu sehen, was wie ein Vollmond ausgesehen hatte, wir befürchteten aber, dass dies die bleiche Sonne war.
Beim Einchecken im Shangri La Hotel wurden wir gefragt, ob wir gegen Aufpreis ein Zimmer in dem neuen Flügel haben wollten. Wir verneinten und freudestrahlend teilte uns der Mitarbeiter umgehend mit, dass wir ein kostenloses Upgrade für dort bekommen, gut so. Das Zimmer war riesig, sauber und ruhig und das Hotel ist sehr zu empfehlen.
Es fiel nicht schwer, uns als Erstes der Kultur zu widmen und das Qingdao Beer Museum zu besuchen, immerhin auf dem zweiten Platz von 288 Aktivitäten der Stadt bei TripAdvisor. „Man muss mal dort gewesen sein, der Rundgang ist interessant und für Biertrinker ein Muss“ ist der erste Kommentar dort und das hatten wir natürlich befolgt.
In der Tat war es aufschlussreich, die zweitgrößte Brauerei von China (und auf Platz sechs weltweit) anzusehen. Sie wurde im Jahre 1903 von deutschen Siedlern als Germania-Brauerei gegründet. Es gab nicht nur nostalgische Ausstellungen, sondern wir konnten auch von einer Empore die derzeitigen Abfüllanlagen begutachten. Anschließend testeten wir zwei Biersorten, ein helles und ein trübes Bier. Wir beschlossen, dass uns das Raw-Beer (nicht filtriert) besser schmeckt und hielten uns noch einige Zeit im Schankraum auf, um das Ganze bei mehreren Proben zu bestätigen.
Danach schlenderten wir die Beer-Street entlang, eine Straße mit sechzig Bars, die das Thema Bier haben. Leider nicht ganz, wie wir uns das vorgestellt hatten. Es sind eher Restaurants, die Bier ausschenken und mehr daran interessiert sind, Essen zu verkaufen als Durstige zu versorgen.
Für diese gibt es Fass-Stationen, in denen der Gerstensaft in der Tüte verkauft wird. Nicht in Litern oder Gallonen, sondern in Kilos! Wer schon immer mal in China ein Kilo davon kaufen möchte: yi gongjin pijiu sind die Zauberworte. Wir verzichteten freiwillig darauf und der Grund war nicht mangelnde Sprachkenntnisse.
Danach hatten wir unser erstes chinesisches Essen (ein paar trockene gegrillte Krabben-Spieße mit Gemüse), stellten fest, dass es nicht gerade unser Favorit wird und fuhren wieder zum Shangri La Hotel zurück, müde genug waren wir.
Am nächsten Morgen stand eine Wanderung entlang der Strände an. Das Gute daran war, dass wir trotz Smog uns nicht verlaufen konnten, die Beach Walk Street führt natürlich stets am Wasser entlang. Das Schlechte war die Aussicht, die Luft war frei von Glutamaten, was aber sonst an Schadstoffen enthalten war, will ich gar nicht wissen.
Trotz dieser Umstände nutzten viele Brautpaare die trübe Kulisse für ihre Hochzeitsfotos, das Bild zeigt nur einen kleinen Ausschnitt und wir konnten nicht alle zählen bei der großen Anzahl:
Wir verließen die Strände und liefen Richtung Stadtzentrum (okay, zugegeben auch zur Beerstreet) und langsam legte sich der Smog:
Wir bestaunten ein paar bunt angemalte Gebäude:
und liefen eine Einkaufsstraße entlang, ohne Umsatz zu generieren.
Es war sauberer als vermutet, jede deutsche Großstadt hat mehr Schmutz auf den Straßen. Die berühmt-berüchtigten Spucker gab es, wenn auch weniger als gedacht. Wenn die aber am Werke sind, wird gerotzt, was die Schleimdrüsen hergeben. Die Quote bei den Taxifahrern war extrem hoch, gleich mit einem amerikanischen Baseball-Spieler. Wehe, aber wenn man in ein Taschentuch schnäuzt, da wird jedem Chinesen schlecht dabei. So verschiedenen sind Sitten und Gebräuche weltweit.
Weitaus appetitlicher war wieder das getrübte Bier im Museum, danach begaben wir uns ins Hotel und stürmten das gute Buffet. Der Anteil der chinesischen Speisen war gering bei uns, wir favorisierten die Nachbarländer Japan und Korea.
Schon lange vorher war für den nächsten Tag schlechtes Wetter vorhergesagt und die Frösche hatten recht gehabt. Beim ersten Blick aus dem Fenster strichen wir eine geplante Wanderung, beim zweiten alles andere und hüpften in den Hotel-Pool (innen natürlich). Dass der Regen ein Segen war, konnten wir hier noch nicht ahnen.
Da auch der dritte Blick und alle weiteren keine Besserung versprachen, wollten wir mit dem Taxi zu unserer Lieblings-Straße fahren. Die Idee mit dem Taxi hatten aber nicht nur wir, vor dem Hotel wartete eine Menge Menschen auf ein Gefährt. Da hatten wir überhaupt keine Lust darauf, bestellten beim Concierge eine Limousine (natürlich viel teurer, aber bezahlbar) für hin und zurück und waren umgehend auf dem Wege. Nach paar trüben Bier passend zum Wetter ging es wieder zum Buffet ins Hotel, ohne unverdauliche Landesspezialitäten für uns, sondern mit Sushi und Co.
Jinan (Bevölkerungszahl: 2,7 Millionen, zwei Übernachtungen)
Beim Blick aus dem Fenster gab es strahlenden Sonnenschein, und Dank des Regens war der Smog weggefegt. Schade, wir hatten morgens eine Zugfahrt nach Jinan gebucht und damit in Qingdao kein schönes Wetter gehabt. Dafür waren die Vorhersagen für die kommenden Tage ausgezeichnet, auch bei unseren nächsten Destinationen.
Gewählt hatten wir die Business-Klasse, die teurer als die erste Klasse war. Das hatte sich gelohnt, wir hatten für die dreistündige Fahrt Schalen-Sitze, die man zu einem Bett ausfahren konnte und mehr als genug Platz boten. Stewardessen mit schicken Uniformen servierten Getränke und Essen (das Zweite lehnten wir dankbar ab). Die Fahrt war ein Genuss, bis auf die Nervensäge hinter uns, der leider andauernd quasselte.
Das befürchtete Problem dem Taxifahrer mitzuteilen, wo wir hinwollten, war keines. Ich hatte im Vorfeld alle Hotelnamen und Straßen auf Chinesisch ausgedruckt inklusive eines Stadtplanes und das klappte hier zumindest gut. Im Sofitel angekommen waren wir zuerst über das Zimmer enttäuscht, ein dunkles Loch und kein Vergleich zum Hotel in Qingdao. Womit das Hotel aber glänzen konnte, war das drehende Aussichts-Restaurant im fünfundvierzigsten Stock, das zumindest an unseren herrlichen und sonnigen Tagen tolle Blicke auf die riesige Stadt geboten hatte:
Es blieb noch Zeit, die Top-Sehenswürdigkeit (Nummer eins bei TripAdvisor) Baotu Spring Park anzuschauen, die uns gar nicht imponierte. Das Symbol der Stadt mit seinen hundert Quellen, ein paar Pavillons und einige Tempel hatte leicht schäbig gewirkt und war totlangweilig für uns:
Beim Spring City Square wurde es spannender. Nicht weil der öde Platz etwas Tolles war, sondern ob wir mit einem der unzähligen Schnüre der schwebenden Drachen verheddern (ging gut aus). Jetzt war uns bewusst, warum die Volksrepublik sich Land des Drachen nennt.
Das Beste am Platz war das angrenzende Restaurant Malena Belgian Beer Bar. Wir waren feige vor dem lokalen Essen und saßen in China in einem belgischen Restaurant, tranken deutsches Weizenbier (so langsam konnten wir schon das lokale Bier nicht mehr sehen) und aßen italienische Pizza, sehr multikulturell. Wir kürten unfair das Lokal zu unserem Liebling der Stadt, ohne die anderen zu kennen und gingen zufrieden ins Bett.
Natürlich wurde wieder im fünfundvierzigsten Stock gefrühstückt und da sahen wir gut unser Ziel für den Tag, den Thousand Buddha Mountain. Dies ist ein Hügel, in dem Tausende von Buddha-Statuen in Felsen eingemeißelt wurden. Das Wetter spielte mit, es gab Sonne pur und kein Smog dank des Regens vorher. Einheimische erzählten, dass es so einen schönen, sonnigen und klaren Tag das letzte Mal vor einem halben Jahr in der Stadt gab. Das wirkte sich auch auf die Besucherzahl aus, es war einiges los, aber ohne groß zu nerven.
Am Eingang wurden ein paar Statuen schick mit roten Gewändern gekleidet:
Faul, wie wir waren, nahmen wir die Seilbahn zum Gipfel, mit tollen Ausblicken während der Fahrt, auch auf ein 2/1000 der Buddhas:
Oben angekommen ging es weiter mit guten Aussichten auf die Millionenstadt:
ehe uns wir einen Tee mit Aussicht gönnten:
Hier wurden wir paarmal wie auch bei anderen Situationen schüchtern von Einheimischen angesprochen, ob wir mit ihnen zusammen fotografiert werden dürfen. Wir willigten natürlich immer ein, ich will nicht wissen, in welchen Fotoalben ich im Moment zu sehen bin. In Facebook und Co eher nicht, der Staat reglementiert stark das Internet. Auf Google hatten wir (fast) keinen Zugriff, wir erstaunten, wie stark sich das bei uns mittlerweile eingeprägt ist und wie irritiert wir waren, weil wir die Seiten nicht besuchen konnten. Das war ein Lernprozess für uns, ist aber bestimmt auch keine Ruhmestat der Partei.
Wir spazierten angenehm durch die Gegend und stellten schweißtreibend fest, dass es zum Gipfel doch noch paar Meter waren. Natürlich sahen wir uns auch einige der in Felsen-Buddhas an (tausend konnten wir keine finden):
blickten ehrfürchtig auf die Bergwelt:
und liefen dann zu den großen Buddha-Versionen:
und am Ende besuchten wir einen nicht erwartenden Höhepunkt, eine riesige Höhle mit vielen Statuen:
Der Besuch des Parks war klasse und das Beste, was wir in diesem Urlaub gemacht hatten. Danach waren wir natürlich durstig und gingen schnurstracks zu unserem Belgier. Zuvor studierten wir aber noch dieses nicht ganz jugendschutzfreie und eher unappetitliche Gebäude:
Tai’an (Bevölkerungszahl: 2,7 Millionen, eine Übernachtung)
Trotz der angenehmen Zugfahrt dachten wir, dass es eine gute Idee wäre, mit dem Taxi von Jinan nach Tai’an zu fahren, um die Anfahrtszeiten von und zu den Bahnhöfen zu umgehen. Das war es wahrscheinlich auch mit einem vernünftigen Fahrer, aber unserer machte die zweieinhalb Stunden Fahrt nicht gerade zu einem Vergnügen. So richtig beruhigt waren wir zu keiner Sekunde und das Ganze war eher unentspannt. Hinzu kam der hohe Verkehr, nach einer Stunde Fahrt sahen wir eine Ausfahrt Jinan South. Jetzt wurde uns die gewaltige Größe der Stadt noch mehr bewusst.
Wir waren letztlich froh, gesund am Ziel angekommen zu sein. Gewohnt hatten wir im Sheraton. Das war nichts Besonderes, aber in Ordnung. Was aber in allen Hotels negativ war: Trotz renommierten Ketten konnte niemand gutes Englisch. Das hätten wir bitter benötigt, um Hinweise zu bekommen, wie wir am besten zum Mount Tai zu kommen, einer der fünf heiligen Bergen des Daoismus und einer der weltweit meist bestiegenen. Da das Internet als Suche ausgeschieden war, machten wir uns auf eigene Faust zum Eingang und hatten leider keinen großen Plan, was auf uns zukommt.
Wir liefen einfach darauf los, waren beileibe aber nicht die Einzigen. Nichtasiaten hatten wir keine gesehen, in einem Führer stand, dass die Stadt „normal nicht von westlichen Touristen besucht wird“. Es ging auf Stufen natürlich stetig bergauf, ohne dass ein großer Höhepunkt dabei gewesen war.
Die Berge waren wegen der Bäume kaum zu sehen, der Vorteil dabei war, dass sie gut Schatten spendeten. Der Lauf war trotzdem sehr schweißtreibend und anstrengend. Nach achtzig Minuten brachen wir das Ganze ab. Am Ende hatten wir ein Drittel der neun Kilometer oder 6 293 Stufen geschafft. Wir hätten auch mit der Seilbahn auf den Gipfel gekonnt, das hatte aber unser Stolz nicht zugelassen. So liefen wir zufrieden zurück, mit der Erkenntnis, etwas Gutes für die Kondition gemacht zu haben. Das Ziel den Gipfel zu erreichen hatten wir ohnehin nicht.
Natürlich hatten wir nach der Rückkehr Durst und wollten den nicht in der langweiligen Hotel-Bar löschen. Auf die Frage beim Concierge nach einer Kneipe verneinte er, so was gäbe es in der Umgebung nicht. Nach zwei Minuten fanden wir eine. In Deutschland wäre ich nicht hinein, weil sie wie eine Bar im Rotlichtviertel ausgesehen hatte. War sie vielleicht auch abends, aber am Tag hatten wir unsere Ruhe. Im Gästebuch stand ein Eintrag „The only bar in this f *censur* ing City with a cold beer“, trotzdem hatten wir Mühe und Aufwand, dass die Dame das Bier aus dem Kühlschrank holte und nicht aus dem Regal.
Gestärkt hatten wir uns am Buffet vom Hotel, der Schwerpunkt lag auf Fisch und Meeresfrüchte. An die Seesternchen wagen wir uns dennoch nicht.
Peking (Bevölkerungszahl: 12 Millionen, zwei Übernachtungen)
Peking (bei Experten, die wir nicht sind, Beijing genannt) war das letzte Ziel unserer kleinen China-Erkundung. Erreicht hatten wir es mit dem Zug, natürlich wieder in der Business-Klasse, mit über 300 km/h in 120 Minuten. Auf dem Weg hatten wir bereits nach fünfzehn Minuten einen Stopp in Jinan. Vielleicht hätten wir doch lieber den Zug nehmen sollen, anstatt das Kamikaze-Taxi.
Ich hatte meine mit chinesischen Schriftzeichen ausgedruckte Karte mit dem Hotelnamen leider verlegt, so baten wir einen Mitpassagier, der zum Glück Englisch sprach, uns den Namen und die Adresse zu übersetzen. Der Taxifahrer konnte damit bedauerlicherweise nichts anfangen, keine Wunder bei der Größe der Stadt. Er rief im Hotel an und nach paar Sekunden wusste er Bescheid und fuhr uns zum Novotel Beijing Peace, dass eine ideale Lage in der Nähe der verbotenen Stadt hat.
So viel Verkehr wie wir uns vorgestellt hatten, war gar nicht, da war es in Jinan schlimmer. Als Fußgänger mussten wir wie überall in China höllisch aufpassen, wenn wir eine Straße überqueren wollten. Wer sich auf Zebrastreifen und Ampel verlässt, wird nicht alt. Abbieger haben gleichzeitig Grün und scheren sich einen Teufel darum, wer noch die Straße überqueren will. Wir liefen zuerst zur verbotenen Stadt und hielten uns noch daran, sie nicht zu betreten.
Danach löschten unseren Durst im Vergnügungsviertel Houhai nördlich davon. Der gleichnamige See gehört zu den drei größten Seen im Norden der Stadt und Restaurants, Bars und Cafés säumen fast das komplette Seeufer.
Zurück verliefen wir uns zum ersten und einzigen Mal während unseres Aufenthaltes in China. Das hatte aber zum Vorteil eine Bar zu entdecken mit selbst gebrauten Bier, endlich wieder mal eine Abwechslung zum langsam öde schmeckende lokalen Tsingtao Beer. Den Abend beendeten wir bei super Sashimi, Sushi und Co und verweigerten weiterhin die lokale Küche:
Unser letzter Tag in China widmeten wir natürlich den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Einer der besten Marketing-Ideen von wem auch immer war es einen Baukomplex Verbotene Stadt zu nennen. Der Palast war weniger verboten zu betreten, als es das Weiße Haus heute ist. Es durfte wie bei fast jedem weltweiten Regierungssitz nur einfach nicht jeder hereinspazieren. Hier lebten und regierten bis zur Revolution 1911 die chinesischen Kaiser einiger Dynastien. Angeblich sind in der verbotenen Stadt insgesamt 9999,5 Räume vorhanden, gemäß einer Legende darf nur das Paradies im Himmel mehr umfassen. Ob der halbe Raum eine Halle der Inneren Harmonie sein soll, konnten wir nicht herausbekommen. So nennt man die Toiletten in China, keine weiteren Details darüber, diese sind nicht appetitlich.
Den Komplex zu besuchen ist mittlerweile erlaubt und die Idee das zu tun hatten nicht nur wir. Zwar ist die Festung einen Kilometer lang und über 700 Meter breit, doch die vielen Besucher machten den Aufenthalt eher zur Qual als zur Freude. Wir sind uns fast wie in Rothenburg vorgekommen, auch von Mauern umgeben und innerhalb mit Horden von Touristen überfüllt.
Vielleicht hatten die Architekten keine Lust auf Abwechslung, für uns Banausen sahen die Gebäude gleich aus. So blieben wir nicht lange in der Anlage und liefen in die Richtung Platz des himmlischen Friedens.
Er wird auch Tian’anmen genannt und wird mit seinen ca. 40 ha große Fläche (zwei Kilometer lang, anderthalb breit) oft als der weltweit größter Platz bezeichnet. Trotz friedlichem Namen wird man vor dem Betreten untersucht, ob man keine feindlichen Absichten hat. Man tut dem Areal unrecht, wenn man an das gleichnamige Massaker im Jahr 1989 denkt, die gewaltsamen Niederschlagungen des Volksaufstandes fanden an anderen Orten statt. Auf der Fläche gab es keinen Todesfall, besser war die Aktion dadurch natürlich nicht.
Außer Panzer bei regelmäßigen himmlischen Paraden sind keine Fahrzeuge zugelassen. So konnten wir uns schnell die markanten Gebäude anschauen, die uns stark an kommunistischen Bauten in Russland erinnerten. Den Leichnam von Mao in seinem Mausoleum ließen wir in Ruhe:
und das Chinesisches Nationalmuseum links liegen:
und schauten uns kurz das Tor des Himmlischen Friedens an. Hier schrieb Mao Zedong Geschichte, als er am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China proklamierte. Es ist der Haupteingang zur Verbotenen Stadt und sah aus wie die meisten Gebäude, die wir vorher dort gesehen hatten:
Für die wenigen Leser, die Chinesisch nicht beherrschen: Links steht: Lang lebe die Volksrepublik China! und rechts: Lang lebe die große Einheit der Völker der Welt! Der Mann in der Mitte sollte bekannt sein.
Groß ist der Platz, verlaufen kann man sich aber nicht. Eher suchten wir einen verzwickten Weg, um den Fotografen, Souvenir-Verkäufer und Fremdenführer aus dem Weg zu gehen:
Wir beendeten den Besuch mit einem kurzen Blick auf das Denkmal für die Helden des Volkes. Auch hier verewigte sich Mao, auf der Vorderseite befindet sich ein Satz mit seiner Handschrift Ewiger Ruhm den Helden des Volkes!:
Damit war Schluss mit unserem Besichtigungsprogramm in China. Wir liefen Richtung Hotel, dieses Mal ohne uns zu verlaufen, und beendeten die Reise unter dem Motto: Erste Erfahrungen in China:
und kehrten für unser Abschiedsessen traditionell für diese Reise in ein koreanisches Gasthaus ein.
Die Rückreise und das Fazit
Wir hatten keine Lust mehr auf die zu kleinen Kofferräume der Taxen für unsere zwei Koffer und die Fahrweise der Fahrer. Lieber gönnten wir uns eine Hotel-Limousine zum Flughafen. Wir fuhren drei Stunden vor Abflug los, hatten gar nicht so viel Verkehr und dachten erst, dass wir zu früh waren. Beim Einchecken bei der Lufthansa für unseren Airbus A380-Flug war so gut wie niemand außer uns, was bereits verwunderte. Wir fuhren dann mit einem Bähnchen zum Abflugbereich und da begann das Chaos.
Ewige Warteschlangen waren bei der Passkontrolle und dazwischen stauten sich bereits kontrollierte Gäste, weil sie nicht weiter konnten wegen der nächsten Überprüfung. Es war zu wenig Platz für die vielen Passagiere. Der zweite Check hatte niemand verstanden, es wurden die gerade überprüften Reisepässe und Dokumente gleich noch einmal kontrolliert. Erst danach konnten wir zum Security-Check. Das Ganze dauerte achtzig Minuten und nervte so, dass ich bestimmt nicht mehr freiwillig den Flughafen Peking betreten werde.
Am Gate endlich angekommen konnten wir fast auch schon einsteigen, ich will gar nicht wissen, wie viele Passagiere wegen dieses bescheuerten Systems ihren Flug täglich verpassen. An Bord war es schön und angenehm. Die Purserette hatte ihren letzten Flug und es war eine gute Stimmung an Bord. Ich sah mir vier Kino-Filme in Folge an und danach waren wir schon fast wieder in Frankfurt am Main.
Die Reise war sehr interessant, ohne Frage. In der Hölle waren wir nicht, aber auch nicht im Paradies. Auf die einzelnen Problem-Punkte bin ich ja bereits in dem Bericht eingegangen (Smog, Essen, Internet, Menschenmassen etc.). Ob ich noch einmal in das Land komme, weiß ich im Moment noch nicht. Nach meinem nicht ganz unkritischen Bericht bin ich mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt noch einmal ein Visum bekomme, wenn von der Partei jemand mitliest. Bereut habe ich die Reise auf keinen Fall und hatte einen kleinen Einblick und Eindruck bekommen, wie es im Lande des Drachens aussieht.
Meine nächste Reise geht nach Russland, mal sehen, was ich darüber schreibe. Vielleicht sehne ich mich dort nach China.
Danke für das Lesen und Gruß Gerald