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Reisebericht: Deutschland ist bei der Handball-EM 2020 raus!
Der Wahnsinn, und Zinni war in Österreich dabei
Deutschland ist Handball-Europameister 2020!
Der Wahnsinn: Deutschland ist bei der Europameisterschaft 2020 im Handball Sieger! Diese Überschrift hätte ich nach 2016 mit dem Besuch des Endspiels in Krakau und dem Gewinn im Finale gerne wieder benutzt:
Nachdem ich vor zwei Jahren auch in Zagreb ein Spiel besucht hatte, wollte ich mir im Jahr 2020 wieder ein Spiel der Vorrunde anzuschauen. Die An- und Abreise nach Trondheim in Norwegen war mir aber zu aufwendig und kompliziert, da es keine Nonstop-Flüge ab Frankfurt gibt.
Als die deutsche Mannschaft sich für die Zwischenrunde in Wien qualifizierte, schaute ich nach verfügbaren Tickets für das wahrscheinlich vorentscheidende Spiel gegen Kroatien dort. Ich war verwundert, es gab keine Auswahl, und es wurde mir nur ein möglicher Platz angeboten. Der war in der zweithöchsten Kategorie, ich sollte eine gute Sicht haben, und es war bezahlbar.
Nachdem ich den Artikel in den Warenkorb legte (ohne den mittlerweile landesüblichen Vermerk: Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ein Ticket für Österreich gegen Spanien), war das Spiel ausverkauft. Das war wohl das letzte verfügbare Ticket, Glück gehabt. Später sah ich, dass der Sitz im Fanblock der Kroaten war (beim Bestellen gab es keinen Hinweis), oh weia! Ich nahm trotz Zinni in Gefahr das Risiko auf mich, und hoffte insgeheim, dass ich von kroatischen Hooligans nicht vermöbelt werde.
In Wien am Abend
Natürlich ist die Anreise nach Wien weitaus einfacher als zu einer Kommune in Mittelnorwegen. Flug und Hotel waren schnell gefunden, und am 17. Januar ging es gegen Mittag mit der Lufthansa erwartungsfroh nach Wien. Beim Einsteigen sah ich kurz in das Cockpit, und erblickte zwei Pilotinnen. Aber auch in der Kabine waren nur Damen im Dienst. Ich hatte eine reine weibliche Crew, die mich sicher und pünktlich nach Wien geflogen hatten:
Mein Plan war am Nachmittag etwas anzuschauen, bei dem tristen und nassen Wetter hatte ich aber keine Lust dazu. In der Umgebung meines gebuchten Novotel am Hauptbahnhof liegt das schicke Restaurant Campus Bräu, in dem ich mich breit machte:
Viele gute Biersorten mussten von mir probiert werden, und das machte Hunger. Bei dem Gericht Steirisches Backhendl dazu Erdäpfel-Vogerlsalat mit Kernöl dachte ich an ein halbes Hähnchen, es war aber nur die Brust:
Egal, es schmeckte. Die Bedienungen waren freundlich und aufmerksam, und das Essen und Trinken waren spitze. Mehr erwartete ich gar nicht, und war sehr zufrieden mit dem Besuch dieser Örtlichkeit. Zwischendurch hatte mein Kellner Matthias Feierabend und bedankte sich bei mir mit dieser DANKE Geste:
Eine nette Idee, so etwas hatte ich bei meinen millionenfachen Gaststättenbesuchen noch nie. Wie auch darüber hinaus das angebotene Freibier, wie nett! Was für ein Service:
Glücklich und zufrieden lief ich zurück zum Hotel, mit einer weiteren Premiere für mich, Gin aus Österreich. Eine gute Empfehlung des Barkeepers:
In Wien am Tag
Schloss Belvedere
Am nächsten Morgen schaute ich noch einmal auf mein Ticket, wo stand: Spielbeginn 16:00, eine optimale Zeit. Am Morgen etwas anschauen, anschließend einen Happen zu Mittag essen, und danach zur Halle zu laufen. Da es trocken war, lief ich vom Bahnhof aus zum Schloss Belvedere, wo ich wissentlich trotz einiger Besuche der Stadt noch nie war:
Ich war einer der ersten Besucher, der Ansturm hatte sich morgens zum Glück sehr in Grenzen gehalten:
Nur das Gemälde Der Kuss von Gustav Klimt war begehrt:
Ich fragte nach, ob die Bilder alles Originale sind, was bestätigt wurde. Ich warnte spaßhaft, dass man nicht die Fehler von Dresden machen sollte, und war überrascht, dass dieser Zwischenfall nicht bekannt war.
Der Besuch vom Schloss Belvedere war sehr interessant, sowohl das Oberes und danach das Unteres:
Änderung im Zeitplan
Zufällig sah ich im Internet auf meinem Handy, dass der Beginn für das deutsche Spiel erst um halb neun am Abend war. Den Fernseh-Zeiten und dem Countdown vom Deutschen Handball Bund glaubte ich eher als die Zeit auf dem Ticket. Das verwarf natürlich meinen Zeitplan. Ich war mir sogar erst einmal nicht sicher, ob das Ticket echt war, oder ich eines für ein falsches Spiel erworben hatte. Die angegebene Hotline-Telefonnummer konnte ich nicht erreichen.
Ich war unsicher und lief zum Verkaufsbüro der Ticket-Agentur. Ich war gespannt, was da falsch gelaufen war. Danach wurde ich vor Ort beruhigt, alles war okay. Das Ticket war für alle drei Spiele an diesem Tag der Zwischenrunde gültig. Das Erste begann um zwei Uhr mittags, und der Anpfiff der deutschen Mannschaft war erst um halb neun.
Wirtshaus Mariahilferbräu
Ich entschied mich, auf den Besuch des ersten Spiels zu verzichten. Das Duell der Kellerkinder zwischen Weißrussland gegen Tschechien interessierte mich nicht. Die Begegnung des Lokalpatrioten Österreich gegen Spanien wollte ich mir aber nicht entgehen lassen. Um meinen Hunger zu befriedigen, besuchte ich das nahegelegene Wirtshaus Mariahilferbräu:
Ich wurde dort nett begrüßt und bedient. Der Schweinebraten ist zu empfehlen! Ich hatte eine Senioren-Portion, esse generell wenig, und trinke lieber. Der Fleisch-Anteil war in einer Menge, die ich essen konnte, aber den lokalen Gästen gefallen anscheinend Kartoffeln bei der servierten Masse. Diese stand in keiner Relation zu dem Braten und dem Sauerkraut.
Ich führte nette Gespräche mit deutschen Anhängern, vielen Dank auf diesem Wege! Anschließend war ich mir unsicher, was ich in der verbleibenden Zeit unternehmen soll. Das Wetter war mir zu schmuddelig nass, um spazieren zu gehen:
Hotel Brauhof
Ich sah zwei sinnvolle Alternativen: Im Hotel etwas auszuruhen, oder in dem Brauhaus in unmittelbarer Nähe (kurz nach der Litfaßsäule rechts) einzukehren. Wer mich kennt, weiß, wie ich auf die Schnelle entschieden hatte.
Ein Wiener Gastronom investierte im Jahr 2019 rund fünf Millionen Euro in das neues Hotel Brauhof samt Brauerei und Restaurant. Allein die Brauanlage kostete eine Million Euro. Die Investition hat sich gelohnt. Das Restaurant ist schick und modern, und das Bier schmeckte wunderbar, mit einer Fülle unterschiedlicher Geschmäcker:
Zudem lernte ich ein sympathisches deutsches Ehepaar kennen, die auch Tickets für das Handball-Spiel hatten. Wir sahen uns auf deren Laptop die Fußball-Bundesliga an, verspeisten Kleinigkeiten, probierten die lokalen Biere und Spirituosen, und hatten unseren Spaß. Gemeinsam fuhren wir dann zu der Stadthalle in Wien.
Das Spiel Halbzeit Eins
Im Vorfeld
Dort trennten sich leider unsere Wege, da wir in verschiedenen Blocks Eintrittskarten hatten. Bereits vor dem Spiel sorgten die kroatischen Fans für viel Stimmung.
Anhänger aus Deutschland hatte ich auch gesehen, aber ohne den Enthusiasmus der Südost-Europäer aus dem Balkan. Der Gang zu meinem Platz wurde mir untersagt, ich musste meine Jacke abgeben. Das störte mich nicht groß, ich hatte nur die Befürchtung, dass nach dem Spiel das Abholen mich jede viel Zeit kosten würde am späten Abend.
Das Spiel Österreich – Spanien war unterhaltsam. Die Gastgeber hatten gut mitgehalten, aber am Ende setzte sich doch der Favorit Spanien mit 30:26 durch. Obwohl 99 Prozent der Zuschauer/-innen (Einheimische, Kroaten, Deutsche) zu dem Verlieren gehalten hatten.
Langsam wurde es spannend, das Spiel der Deutschen stand an. Meine mit Spannung und Ehrfurcht erwarteten Sitznachbarn trudelnden langsam ein. Auf der linken Seite hatten zwei Mädels gesessen, die aussahen wie Miss Kroatien und die in der Wahl unterlegene zweite, und hinter mir drei Jungs mit Vater in dem Alter von meinem reizenden Patenkind (er wurde damals zehn Jahre alt). Da sollte in beiden Fällen keine Gefahr ausgehen. Zu meiner rechten Seite waren zwei Männer, die zum Glück Deutsch gesprochen hatten. Sie hatten kein Problem mit mir, gerade das Gegenteil. Wir führten das ganze Spiel über sehr interessante Gespräche, ohne Kindereien, Pöbeleien und Feindlichkeit, und holten gegenseitig Bier für alle drei:
Angespannt waren wir, als die Mannschaften eingelaufen waren:
Verkehrte Welt: Meine Sitznachbarn hatten Respekt vor unserem Team, und sahen sich als Außenseiter. Ich sah es umgekehrt, und sollte viel später leider Recht behalten.
Spielbeginn
Das Spiel begann gut für die deutsche Mannschaft, über den Verlauf brauche ich nicht viel schreiben, das soll von mir kein Spielbericht werden. Ich fühlte mich wie auf Urlaub in Kroatien unter Einheimischen. Warum in dem Block Sitzplatzkarten erworben wurden, aber während dem Spiel alle standen, verstand ich nicht. Ich musste auch stehen, ansonsten hätte ich nichts gesehen:
Das Spiel, Halbzeit Zwei
In der Halbzeit waren meine Nachbarn immer noch pessimistisch, ich hielt bedauerlicherweise nicht den passenden Optimismus dagegen. Ich dachte nur dabei: Weint am Anfang, damit ihr am Ende lachen könnt. Nach und nach holte Kroatien den Rückstand auf, und bei jedem Tor wurde die Euphorie in meinem Block größer. Die Stimmung kippte.
Aber ohne ein Hänseln zu mir, oder ich verspottet wurde. Trotzdem waren langsam meine Nerven am Ende. Zinni unter hunderten Kroaten. Ich hielte mich wacker, jubelte bei jeder guten deutschen Aktion, und keiner ging mich an. Es war trotzdem anstrengend, und ich war fix und fertig.
Nachdem die letzte Chance für Deutschland Sekunden vor Schluss vergeben wurde, und damit das Spiel mit 24:25 verloren wurde, begab ich mich so schnell wie möglich zum Ausgang. Den jubelnden Gewinnern zuzuschauen, hatte ich keine große Lust mehr. Ich verabschiedete mich von meinen neuen Freunden, und war überrascht, dass einer davon mich umarmte, und mir mitteilte, dass er heute eine neue Lebenserfahrung durch mich gemacht hatte. Es hatte mich gefreut, zur Völkerverständigung beigetragen zu haben, und es hatte sich bestätigt, dass gegnerische Fans sich nicht unbedingt die Köpfe einhauen müssen.
Nach dem Spiel
Meine Jacke hatte ich in paar Sekunden zurück, und schnell ein Taxi zum Hotel gefunden. Mein Fahrer, ein nicht mehr ganz junger Österreicher, war so cool wie das Spiel. Er hatte das Ereignis bis fünf Minuten vor Ende angeschaut, aber zugesagt, solche Faulenzer wie mich von der Halle zu ihrem Hotel zu bringen. Wir unterhielten uns glänzend, und im Hotel angekommen hätte ich keine Sekunde Schlaf gefunden, so aufgeregt wie ich war.
Alkohol war der Retter in der Not:
Die Rückreise
Am nächsten Morgen verließ ich Wien, und wurde erneut beim Einsteigen in den Lufthansa-Airbus überrascht: Dieses Mal war es eine reine Männerrunde, die mich nach Frankfurt brachten und den Service durchführten. Sie brachten mich genau sicher wie die Damen vom Hinflug nach Frankfurt.
Ich hatte ein spannendes, cooles und aufregendes Wochenende hinter mir. Nur das Ergebnis passte leider nicht. Ein Unentschieden oder ein knapper Sieg hätten wahrscheinlich aber auch nicht zum Weiterkommen gereicht, das war jedoch Nebensache. Ich weinte zu Hause keine sechs Wochen am Stück deswegen. Vielleicht fünf, aber mehr nicht. Dass ich mein Token, der mir den Zugriff auf das Firmen-Netzwerk ermöglicht und in Wien dabei hatte, nach dem Ausflug vermisse, passt zu diesem kuriosen Wochenende.
Ich hoffe für die Zukunft, dass ich noch viele solcher Events erlebe. Aber lieber mit Happy End, und gerne mit einem Sake danach in ein paar Monaten! Die Welt ist ein merkwürdiger Ort, in vielen Belangen. Positiv und negativ. Hier ersteres.